Der Vertrieb ist die Achillesferse von Start-ups
Es gibt sicher viele Faktoren, die über den Erfolg bzw. Misserfolg von Start-ups entscheiden. In den deutschen Medien wird aktuell im wesentlichen auf den mangelnden Zugang zu Kapital (insbesondere Series A Finanzierung) oder fehlende IT Ressourcen fokussiert – meiner Ansicht nach gibt es jedoch einen weiteren Faktor, der bisher nur wenig beachtet wird, jedoch viele Start-ups nicht nur im B2B Umfeld vor große Herausforderungen stellt: das Knowhow rund um den Aufbau und das Management des Vertriebs.
Im Rahmen der Analyse von Businessmodellen für Investoren und dem Coaching von Start-ups stelle ich Gründern immer die Frage, wie denn konkret die Vertriebsstrategie, die Vertriebsprozesse oder das Vertriebscontrolling aussehen – jedoch erhalte ich nur selten eine fundierte Antwort. Viele Gründer haben in meinen Augen nicht verstanden, dass das innovativste Produkt, die kreativste Kommunikationskampagne oder der beste Preis die Potenziale nicht ausschöpft, wenn ein Unternehmen keinen professionellen Vertrieb hat.
Einer der Gründe, warum Gründer in Deutschland dem Vertrieb oftmals zu wenig Bedeutung beimessen und über zu wenig Knowhow in dem Bereich verfügen, liegt der Ausbildung an den Hochschulen.
Vertriebsausbildung an deutschen Hochschulen
In den 90ern habe ich BWL mit den Schwerpunkten Marketing und Bankwesen studiert und mich intensiv mit den 4Ps des Marketing-Mixes – „Promotion“, „Preis“, „Produkt“ und „Place“ („Vertrieb“) – von Kotler auseinandergesetzt. Interessanterweise werden die 4Ps auch heute noch an vielen deutschen Hochschulen in dieser Form gelehrt (vgl. Wiki der freien Hochschule Berlin) , in einigen Publikationen wurden diese auf 7Ps bzw. 10Ps erweitert (vgl. Artikel Absatzwirtschaft). Jedoch bleibt diesen Ansätzen gemein, dass „Place“ (und damit „Vertrieb“) eine Teildisziplin des Marketingsmixes ist und damit in der Regel in dem Bereich „Marketing“ doziert wird – damit wird man in meinen Augen in keiner Weise der Bedeutung gerecht, die Vertrieb in der Unternehmenspraxis in den letzten Jahren gewonnen hat bzw. haben sollte.
In Amerika gibt es bereits seit längerem eine Vielzahl an Universitäten, die spezielle Sales Leadership Studiengänge anbieten. Im Jahr 2007 zählte die Sales Education Foundation rund 30 Programme, heute sind bereits über 90 Sales-Programme gelistet – der Anstieg zeigt deutlich den gestiegenden Bedarf an professionellen Sales-Skills. In Deutschland sieht es noch vergleichsweise bescheiden aus. Erste Hochschulen wie zum Beispiel die Hochschule Heilbronn (Studiengang „Management und Vertrieb“) oder die FH Münster (Master-Studiengang „International Marketing & Sales“ ) bieten spezielle Programme an – zudem gibt es in dem Samwer-Recruitingzentrum an der WHU einen sehr interessanten Lehrstuhl für Vertriebsmanagement und B2B Marketing. Jedoch liegt das Angebot in Deutschland (und übrigens auch in vielen weiteren europäischen Ländern) leider deutlich hinter dem Angebot in USA. Die in weiten Bereichen ungenügende Ausbildung im Bereich „Sales“ an den Hochschulen ist mit einer der Gründe, warum viele Start-ups in Deutschland nicht die gewünschte Traktion aufnehmen.
Appell an die Rektoren
Räumen Sie dem “Vertrieb” einen höheren Stellenwert an den Hochschulen ein – die Gründer, Unternehmer und Investoren werden es Ihnen danken!
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Eine sehr gelungener Beitrag zu einem wesentlichen Problem. Leider fehlt uns in Deutschland (aber auch in einigen anderen Ländern Europas) eine echte Vertriebskultur. In Unternehmen aber auch in der Gesellschaft allgemein. Vertrieb muss als entscheidender Erfolgsfaktor für Unternehmens anerkannt werden, um junge Talente dafür zu begeistern. Wenn dies gelingt, werden hoffentlich auch Hochschulen die Notwendigkeit erkennen, ihr Angebot in diesem Bereich auszubauen. Ganz im Sinne von Angebot und Nachfrage…
Guter und interessanter Beitrag. Man muß sich aber auch in einen Gründer hineinversetzen:
Er muß sich um alles quasi oft allein kümmern – und für guten Vertrieb braucht man Zeit. Das kann man nicht zwischen 9 und 11 Uhr einplanen. Da kommt nichts bei raus. D.h. es bleibt zwangsläufig in der Realität maximal eine Teildisziplin des Marketing Mixes.